Pionier im Tessin
Christian Zündel aus dem Tessin ist einer der interessantesten Schweizer Winzer.
Er produziert elegant-kühle Merlots und straff-mineralische Chardonnays. Eben bei uns eingetroffen: die 2018er-Jahrgänge von Raritäten wie Velabona und Terraferma.
Er hat keine Website und hält auch sonst nicht viel von „Marketing“. Am liebsten hat er seine Ruhe und verbringt seine Zeit im Weingarten oder im Keller: Christian Zündel, einen der interessantesten Schweizer Winzer.
Seinem knorrigen Äußeren nach ein einfacher Bauer, ist Zündel dennoch ein Mann der Wissenschaft, ETH-Absolvent und Bücherliebhaber: In seinem 1840 von Tabakpflanzern erbauten Haus im abgeschiedenen Tessiner Dorf Beride bei Lugano stehen neben den einschlägigen Fachwerken zu Önologie und Geologie praktisch alle Klassiker der Weltliteratur.
Elegant-kühle Merlots
Der Deutschschweizer aus Zürich kam als Bodenkundler in den späten 1970er-Jahren ins Tessin, ließ sich als Winzer im Hinterland von Lugano, der Heimat seiner Vorfahren, nieder. „Ich wollte mit den Händen arbeiten“, sagt Zündel, dessen akademische Ahnen – Ärzte und Anwälte – „alle keinen Nagel einschlagen konnten.“
Zündel gilt heute als einer der Pioniere des modernen Qualitätsweinbaus im Tessin. Bekannt ist er vor allem für seine großartigen Merlots Terraferma und Orizzonte (mit etwas Cabernet) – elegante und „kühle“ Weine mit schlanker Frucht.
Zündel versucht, ihnen die sonst für diese Rebsorte typische Weiche, Süße und Gefälligkeit zu nehmen: „Unser Merlot soll so gut sein wie ein guter Pinot.“
Straff-mineralische Chardonnays
Seit geraumer Zeit widmet sich der stets bescheidene und selbstkritische Zündel verstärkt auch dem Chardonnay, an dessen Etablierung im Tessin er vor 20 Jahren maßgeblich beteiligt war. „Chardonnay ist ein präziser Vektor. Er reagiert auf den Boden besser und sensibler, ist spannender als Merlot. Nicht so gefügig.“
Dementsprechend sind Zündels Chardonnays „Velabona“ und „Pianelle“ straff, mit zarter Frucht und präziser Säure, sie zeigen den mineralischen Charakter des kiesigen Moränenbodens.
Christian Zündel bewirtschaftet etwas mehr als vier „Hektaren“ und produziert etwa 15.000 bis 18.000 Flaschen jährlich. Seit 2003 arbeitet er biodynamisch: „Alles Andere ist ja Unsinn. Bio stärkt das Terroir und es ist wichtig, dass Weine die Geschichte ihrer Herkunft erzählen.“
2020 hat Zündels 28-jährige Tochter Myra Mitverantwortung im Betrieb übernommen. Die ausgebildete Winzerin sammelte u. a. auf dem sizilianischen Weingut COS Erfahrung, will Bewährtes mit neuen, kreativen Ideen verbinden. Jedenfalls soll der für Zündel typische, feine, finessenreiche Weinstil beibehalten werden, wie der bereits von Myra verantwortete, eben bei uns eingetroffene 2018er-Jahrgang beweist:
Chardonnay Velabona: frisch, sehr elegant, feingliedrig, mineralisch
Merlot Terraferma und Merlot/Cabernet Orizzonte: kühle Stilistik, viel Tessin-Charakter
Der Kunde findet seinen Wein
Die Kellerarbeit steht unter dem Motto: „Die Entwicklung des Weines nicht behindern und so einfach wie möglich arbeiten.“ Dazu gehören Vergärung mit Naturhefen, langer Hefekontakt, Reifung in eiförmigen Betontanks oder in gebrauchten 228-Liter-Fässern.
Die sehr eigenständigen, charakterstarken Weine von Vater und Tochter kommen frühestens nach 1,5 Jahren in den Verkauf. Christian Zündels Verkaufs-Strategie ist philosophisch angelegt: „Der Kunde findet seinen Wein. Nicht umgekehrt.“