DIE WIEGE DES SYRAH

NÖRDLICHE RHÔNE

DIE WIEGE DES SYRAH

Klingende Namen wie Hermitage, Cornas, Côte Rôtie. Heiße Weingärten mit Granit und Löss, Steillagen und Terrassen. Vielschichtiges Terroir. Weine mit Tiefgang, Charakter, Ecken und Kanten. Hier ist die historische Wiege des Syrah. Und von hier kommen nach wie vor die wohl spannendsten Exemplare dieses großen Rotweins – in kleinen Mengen, aber mit großem Lagerpotenzial: die nördliche Rhône.

Der stille Arbeiter: Yann Chave

Yann Chave aus Mercurol im nördlichen Rhône-Tal ist ein bescheidener Mann, zurückhaltend, introvertiert, ein stiller Arbeiter. Ein Winzer ohne Allüren. Man trifft ihn im Weingarten oder im Keller – und man sieht ihm nicht an, dass er zu den besten Winzern der Region zählt. 

Als Yann 1996 nach Studium und Militärdienst das 20 ha-Familienweingut von seinem Vater Bernard übernahm, stellte er bedingungslos auf Qualität und Biodynamik um. Heute produziert er in seiner einfachen „Garage Winery“, die ganz seinem unkomplizierten Naturell entspricht, Spitzenrotweine zu fairen Preisen.

Chave bewirtschaftet 1,2 ha Weingärten in der Hermitage, jenem legendären Weinberg am Rhône-Knie bei Tain-L'Hermitage. Die Lage gilt als ältester Weingarten Frankreichs – angelegt vermutlich schon um 600 v. Chr. Sie ist die Wiege des Syrah und verdankt ihren Namen einer Einsiedlerkapelle ganz oben auf dem Hügel. 

In dieser südöstlich exponierten Steillage findet der Syrah Bedingungen, die ihn zur Höchstform auflaufen lassen: In den Hermitage-Weinen verbinden sich „animalische Kraft, liebliche Frucht und wildes Parfum“, wie Oz Clarke, einer der großen alten Männer des Weinjournalismus, einmal schwärmte. 

Yann Chaves Spitzenwein mit dem traditionsgemäß der Herkunft entsprechenden Namen „Hermitage“ wird aus mehr als 35 Jahre alten, auf Löss wachsenden Syrah-Reben handwerklich und biologisch produziert sowie in gebrauchten 600-Liter-Eichenfässern gereift, schmeckt aber kein bisschen nach Vanille: Für Chave zählt nur der natürliche Ausdruck von Frucht und Terroir. 

Viel Bewegung in Crozes-Hermitage

Der Großteil der Weingärten (ca. 17 ha) von Yann Chave liegt in der Appellation Crozes-Hermitage. Sie grenzt direkt an die Hermitage, ist aber zehnmal größer, flacher, weniger prominent, und als viel jüngere Appellation nicht vom Gewicht der Tradition belastet: Daher gibt es hier noch Spielraum und Potenzial für neue Entwicklungen. 

In den letzten 25 Jahren ist viel Dynamik in diese Appellation gekommen, seit hier mehr und mehr Winzer, so wie Chave, ihre eigenen Weine produzieren, auf Bio umsteigen, ihren persönlichen Stil entwickeln – und nicht mehr bloß Trauben an Genossenschaften oder große Kellereien verkaufen, so wie es noch ihre Väter getan haben. 

Damit gewinnt Crozes-Hermitage als Lage mehr Eigenständigkeit und wird nicht immer nur an der „großen“ Hermitage oder anderen berühmten Rhône-Appellationen gemessen. 

Le Rouvre – gereift im 600-Liter-Eichenfass

Die Böden sind hier dominiert von den Kiesablagerungen der nahen Rhône, rotem Sand, Kalk und Löss. Auch in Crozes-Hermitage ist Syrah die Rotweinrebe schlechthin, wird aber im Gegensatz zur Hermitage, wo sie aufgrund der Steilheit an Einzelstöcken steht, am klassischen Drahtrahmen gezogen. 

Die Crozes-Hermitage-Weine sind sehr gefragt, da sie mit ihrem rauchig-dunkelfruchtigen Charakter die Syrah-Rebe (fast) ebenso gut zum Ausdruck bringen, aber in größeren Mengen zur Verfügung stehen und preisgünstiger sind als die Hermitage-Weine. 

Yann Chave bietet mit dem einfacheren, stahltankgereiften Crozes-Hermitage einen preisgünstigen Einstieg in diese Region. Sein Spitzenwein aus dieser Appellation ist der Crozes-Hermitage Le Rouvre – benannt nach der gleichnamigen Eiche aus dem Massif Central. Aus dem besonders feinporigen Holz dieser Bäume sind die 600-Liter-Fässer hergestellt, in der Le Rouvre reift. 

Rhône Rock Star: Vincent Paris

Die charakterstarken Weine von Vincent Paris zählen zu den interessantesten der Region Cornas: würzige Syrahs von den heißen, trockenen Granit-Steilhängen an der nördlichen Rhône.

Er ist der Beweis, dass sich in der an sich eher „lauten“ Weinbranche auch die „Stillen“ durchsetzen, langsam, aber beständig. Seine Weine suchen nicht nach Kunden, vielmehr werden seine Weine von den Kunden gefunden, darunter viele Top-Restaurants in Frankreich: Vincent Paris aus Cornas an der nördlichen Rhône.

Cornas ist eine nur 125 ha große Subregion der großen Appellation Côtes du Rhône. Der Name Cornas ist keltischen Ursprungs und bedeutet soviel wie „verbrannte Erde“: Das Mikroklima hier ist heiß und trocken, die Böden von Granit dominiert, die Weinberge meist steil, teilweise in Terrassen angelegt, nach Südosten ausgerichtet.

Und restriktiv, wie die Franzosen in Sachen Wein nun einmal sind, ist in Cornas eine einzige Rebe zugelassen: Syrah. Die Frage nach der Sorte erübrigt sicher daher, denn: Cornas = 100% Syrah. Und selbstverständlich heißt auch der hier produzierte Wein nach seiner Herkunftsregion – Cornas.

Vincent Paris ging bei seinem Onkel Robert Michel – einem der großen Alten in Cornas – in die Lehre, produzierte 1997 seine ersten Jahrgang, fand bald seinen eigenen Weg und Stil, bewirtschaftet heute etwa 8 ha, erzeugt nur rund 30.000 Flaschen jährlich.

Den Großteil der hervorragenden Weingärten (einige darunter fast 100 Jahre alt) hat Vincent von seinem Großvater geerbt, einen Teil von Onkel Robert übernommen, der sie ihm weit unter Marktpreis verkaufte, damit sie in den richtigen Händen bleiben.

Vincent gilt als einer der interessantesten und besten Winzer der Region Cornas, die zu Wortspielen neigende anglo-amerikanische Presse bezeichnete ihn einmal als „Rhône Rock Star“. Er ist aber immer noch relativ wenig bekannt und in vielen Dingen erfreulich traditionell geblieben: Er betreibt sein kleines Weingut im Stil eines „Garagiste“, macht alles selbst, produziert nach bäuerlich-handwerklichen Methoden und Maßstäben, kennt jeden Stein in seinen Weingärten, jeden Rebstock. Keller und Etiketten sind unspektakulär.

Charakter & Charisma

Die Qualität der ausdrucksvollen Weine von Vincent Paris basiert nicht nur auf der Rebsorte Syrah, dem heißen Klima, den Top-Lagen und dem Alter der Reben, sondern auch auf einer strikten Ertragsbeschränkung: Paris schneidet stark zurück und lässt nur vier Trauben am Stock hängen, während sonst fünf bis sieben üblich sind.

Je nach Wein werden 30 bis 90 % der Trauben mitsamt den Stielen gepresst und vergoren – auch das eine Eigenheit bei Vincent Paris, die Fruchtigkeit, Reintönigkeit und Würze begünstigt. Barrique-Noten gelten ihm als vorlaut, deshalb werden nur gebrauchte bzw. große Fässer für die bis zu 12-monatige Lagerung der Weine verwendet.

Die Weine von Vincent Paris haben Charakter und Charisma, sie zeigen eine klare, reine Syrah-Frucht, sind breitschultrig, tiefgründig, frisch, dicht, komplex, gleichzeitig mineralisch und subtil, mit frischer Säure und relativ wenig Alkohol: insgesamt eine zeitgemäße – aber keine „modische“ – Interpretation des früher oft als rustikal, spröde und trocken geltenden Cornas.

 • Granit 30 ist leichter zugänglich, sehr tieffruchtig, typisch Syrah, auch schon in seiner Jugend gut zu trinken. 30 bedeutet in Cornas "mittlere Hangneigung".

• Granit 60 ist ein klassischer Cornas, deutlich anspruchsvoller, man sollte ihm mehr Zeit geben. Mit 60 sind die steilsten Hanglagen des Winzers gemeint. 

Der Altmeister: René Rostaing

René Rostaing aus Ampuis ist der Grandseigneur unter den Winzern der nördlichen Rhône, ein eleganter, charmanter Mann. Man sieht nur an seinen Händen, dass er täglich im Weingarten und Keller arbeitet – so wie alle „kleinen“ Rhône-Winzer, die noch richtige Weinbauern sind, und keine Manager.

Rostaing ist einer der seit langem etablierten, führenden Winzer der Region, und wird längst von Sohn Pierre unterstützt. Er begann 1971 mit 1,5 Hektar, auch heute bewirtschaftet er gerade einmal 8 Hektar. Der „Altmeister“ weiß: Auf diesem Terroir zählt nicht die Größe.

In den besten Lagen auf steilen, sonnendurchglühten Granit-Terrassen an der Rhône wächst der Syrah für die großartigen Weine Rostaings, die nach der 230 Hektar großen Appellation benannt sind: Côte Rôtie.

Wunderbar ins Thema einsteigen kann man mit Amphodium, René Rostaings „signature blend“ aus Syrah-Trauben mehrerer verschiedener Lagen. Eine Stufe höher: La Landonne, ein kraftvoller, zugleich eleganter, sehr lange lagerfähiger Syrah aus der gleichnamigen Einzellage, der nur in Kleinstmengen produziert wird.

Reinheit der Frucht, Charakter des Terroirs

Rostaings handwerklich produzierte Weine zeigen sehr viel Persönlichkeit: In seinen Händen bringt der Syrah, der hier an der Côte Rôtie auf Böden aus Granit, Glimmer, Schiefer, Ton, Kalk und Eisenoxiden wächst, sein typisches Aromenpotenzial voll zur Entfaltung: rote Beeren, Kräuter, exotische Noten nach Tabak, Zimt, Veilchen, Lakritze – kombiniert mit kräftigen Tanninen, dennoch fein und frisch.

Der Winzer vergärt die roten Trauben in rotierenden Stahltanks – wegen des besseren Most-Maische-Kontaktes und der dadurch besseren Farb- und Aromenausbeute. Er lässt die Weine in 228-Liter- bzw. 600 Liter-Eichenfässern reifen, hält dabei den Anteil an neuem Holz sehr gering, „ ... um die Reinheit der Frucht und den Charakter des Terroirs nicht zu beeinträchtigen.“

Condrieu & Viognier

Neben den Côte Rôtie-Rotweinen widmet sich René Rostaing auch einem legendären Weißwein von der nördlichen Rhône: dem nach der 124 Hektar kleinen Appellation benannten Condrieu – produziert aus der hier beheimateten Viognier-Rebe. Rostaing bewirtschaftet in Condrieu einen kleinen, nur einen Hektar großen Weingarten mit sandigen Granit-Böden.

Sein Lagenwein Condrieu La Bonette ist ein mustergültiger Viognier: kräftig, dicht, mit Noten nach exotischen gelben Früchten, Honigwaben, gleichzeitig mineralisch und ein wenig salzig.

René Rostaing versteht es, das typische Selbstbewusstsein französischer Winzer mit feiner Ironie zu verbinden. Zitat bei unserer (Blind)Verkostung: „Ich bin bereit, Ihnen diesen Wein zu verkaufen – wenn Sie ihn erkennen!“